Gentechnik-Deregulierung: Koalition weiterhin uneins

Die Parteien der neuen Regierungskoali­tion stre­it­en weit­er­hin darüber, ob Lebens­mit­tel aus Gen­tech­nik-Pflanzen, die mit­tels neuer Ver­fahren wie CRISPR hergestellt wur­den, für Verbraucher:innen gekennze­ich­net wer­den soll­ten. Eine Debat­te im Bun­destag zeigte die tiefen Gräben zwis­chen CDU, CSU und SPD auf.

Ja — Nein — Jein

Aus Anlass eines Antrags der Frak­tion Bündnis90/Die Grü­nen debat­tierte der Bun­destag am 21. Mai darüber, ob Lebens­mit­tel, die Pflanzen aus neuen gen­tech­nis­chen Ver­fahren (NGT) enthal­ten, für die Verbraucher:innen gekennze­ich­net wer­den sollen.

Der Grü­nen-Poli­tik­er Karl Bär forderte hierzu eine klare Posi­tion der Regierungsparteien: „SPD, CDU und CSU kön­nen sich da nicht weg­duck­en.“ Er sagte: „Die Bun­desregierung muss sich entschei­den: Ste­hen Sie auf der Seite der Men­schen in Deutsch­land, oder ste­hen Sie auf der Seite von weni­gen Konz­er­nen, die damit Geld ver­di­enen wollen?“

Die SPD-Frak­tion stellte sich auf die Seite der Grü­nen: „Die Kennze­ich­nungspflicht muss bleiben, auch bei neuen Gen­tech­niken“, so die Abge­ord­nete Isabel Mack­ensen-Geis. „Trans­parenz und Wahl­frei­heit sind die Basis für selb­st­bes­timmten Kon­sum; denn damit wer­den wir in die Lage ver­set­zt, den Markt mitzugestal­ten. Das ist mod­erne Ver­braucher­poli­tik“, so die SPD-Poli­tik­erin.

Christoph Frauen­preiß von der CDU behauptete dage­gen, eine Kennze­ich­nung auf Ver­pack­un­gen sei unnötig und führe zu mehr Bürokratie. Man solle den Men­schen „die Angst und die Sorge vor neuer Tech­nolo­gie nehmen“ und „unnötige Warn­hin­weise“ lassen, so der Bank­be­trieb­swirt aus Cux­haven.

Alexan­der Engel­hard von der CSU stimmte zunächst übere­in mit SPD und Grü­nen. Er sagte: „Am Ende muss eine klare Regelung auf den Weg gebracht wer­den, die den Ver­braucherin­nen und Ver­brauch­ern die Wahl lässt, was sie kon­sum­ieren wollen.“ Er fügte jedoch hinzu, dass eine Kennze­ich­nungspflicht ent­lang der gesamten Wertschöp­fungs­kette ein „Bürokratiemon­ster“ schaf­fen würde. Daher schössen die Grü­nen mit ihren Forderun­gen „über das Ziel hin­aus“ und der Antrag müsse im Agra­rauss­chuss weit­er berat­en wer­den. 

Kennzeichnung grundsätzlich möglich

Ein Red­ner der AfD lehnte eine Kennze­ich­nungspflicht ab mit der Begrün­dung, dass es „keine Nach­weisver­fahren, keine Labor­w­erte und keine Prüf­sys­teme“ gebe, die „ver­lässlich fest­stellen kön­nen, ob es sich um eine klas­sis­che oder eine neue Züch­tung han­delt“. Daher sei eine Kennze­ich­nung „tech­nisch schlicht und ein­fach nicht möglich“.

Diese Aus­sage ist falsch. Schon heute sind einige wenige Gen­tech­nik-Lebens­mit­tel nur schw­er im Labor nach­weis­bar. Dazu gehören ver­ar­beit­ete Pro­duk­te wie Öl aus Gen­tech­nik-Soja und Zuck­er aus Gen­tech­nik-Rüben. Eine Gen­tech­nik-Kennze­ich­nung ist den­noch möglich. Denn etablierte EU-Label für Bio­pro­duk­te, Eier aus Frei­land­hal­tung und Gen­tech­nik-Pro­duk­te beruhen auf ein­er lück­en­losen Doku­men­ta­tion ent­lang der Wertschöp­fungs­kette. Für das EU-Par­la­ment, das sich für eine Ver­brauch­er-Kennze­ich­nung aus­ge­sprochen hat­te, ist dies die Grund­lage ein­er solchen Kennze­ich­nung. Das Par­la­ment fordert eine „Über­mit­tlung und Spe­icherung der Infor­ma­tion, dass ein Erzeug­nis NGT-Pflanzen und NGT-Erzeug­nisse enthält oder aus solchen beste­ht, und der ein­deuti­gen Codes dieser NGT in jed­er Phase des Inverkehrbrin­gens“.

Haltung der Bundesregierung unklar

Die Bun­desregierung selb­st hat zu diesem The­ma noch keine Stel­lung bezo­gen. Sie wird sich spätestens nach dem Abschluss der Trilogver­hand­lun­gen in Brüs­sel posi­tion­ieren müssen. Dann stimmt der Rat der Agrarmin­is­ter for­mal und öffentlich über das Ergeb­nis der Ver­hand­lun­gen ab.

Im Koali­tionsver­trag von CDU, CSU und SPD ste­ht zum The­ma Gen­tech­nik in der Land­wirtschaft nichts. Ursprünglich wollte die SPD dort eine “Kennze­ich­nungspflicht für gen­tech­nisch verän­derte Lebens­mit­tel” ver­ankern, während die CDU/CSU auf die “Chan­cen” aus “Neuen Züch­tungsmeth­o­d­en (NGT)” ver­weisen wollte. Daraufhin rief Save Our Seeds, gemein­sam mit anderen Organ­i­sa­tio­nen, zu ein­er Emailak­tion auf, um die Verhandler:innen von CDU, CSU und SPD von ein­er Kennze­ich­nungspflicht zu überzeu­gen. Über 3.000 Leute fol­gten dem Aufruf inner­halb von zwei Wochen.

Die Koali­tion hat sich zumin­d­est grund­sät­zlich zum Ver­brauch­er­schutz bekan­nt: „Unser­er Poli­tik liegt ein dif­feren­ziertes Ver­braucher­bild zugrunde. Ver­braucherin­nen und Ver­brauch­er sollen selb­st­bes­timmt entschei­den kön­nen. Wir unter­stützen sie durch starke Rechte, Trans­parenz und Infor­ma­tion, Beratung und Bil­dung, Schutz und Vor­sorge.“

Umwelt- und Ver­braucherver­bände sowie Vertreter:innen des Agrar- und Lebens­mit­telsek­tors haben wieder­holt darauf hingewiesen, dass eine Kennze­ich­nung von Gen­tech­nik-Pro­duk­ten für die Wahl­frei­heit der Verbraucher:innen sowie für die Zukun­ft der gen­tech­nikfreien Land­wirtschaft, erforder­lich ist.

Mehr Infor­ma­tio­nen hierzu beim Infor­ma­tions­di­enst Gen­tech­nik

Bild ©Deutsch­er Bun­destag — Isabel Mack­ensen-Geis während der Debat­te

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