Brüssel, 19. Dezember 2025 – Eine Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten hat sich heute für die Deregulierung von Pflanzen aus neuer Gentechnik ausgesprochen. Bei einer informellen Abstimmung im Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) in Brüssel kam eine qualifizierte Mehrheit für die entsprechenden Vorschläge zustande.
Franziska Achterberg, Leiterin Politik bei Save Our Seeds, kommentiert::
Mit dieser Entscheidung untergraben die EU-Regierungen nicht nur einen wissenschaftlich fundierten Umgang mit den Risiken der Gentechnik. Sie nehmen den Bürgerinnen und Bürgern außerdem das Recht, selbst zu entscheiden, was sie essen wollen. Zugleich ebnen sie Bayer-Monsanto, KWS & Co. den Weg, ihr patentiertes Saatgut in den Markt zu drücken – zulasten von Landwirtinnen und Landwirten sowie von unabhängigen Züchtern.
Noch ist der Abschied von Vorsorge, Kennzeichnung und dem Schutz vor patentiertem Saatgut nicht endgültig besiegelt. Neben dem Ministerrat muss auch das Europäische Parlament zustimmen. Die EU-Abgeordneten dürfen einen solchen Ausverkauf nicht zulassen!
Die EU verhandelt seit 2023 über den Entwurf einer Verordnung zu Pflanzen, die mit sogenannten „neuen genomischen Techniken“ (NGT) gewonnen wurden. Ziel ist es, einen Großteil dieser Pflanzen von den bestehenden EU-Vorgaben für gentechnisch veränderte Organismen auszunehmen. Die verpflichtende Verbraucherkennzeichnung, Rückverfolgbarkeit, Risikoprüfung sowie Vorlage geeigneter Nachweisverfahren sollen abgeschafft werden. Gleichzeitig soll die Patentierung uneingeschränkt möglich bleiben.
Der AStV stimmte heute über das Ergebnis der Trilogverhandlungen ab. Nun muss der EU-Ministerrat die informelle Einigung auf Ministerebene formell bestätigen.
Auch das Europäische Parlament muss den Plänen noch zustimmen. Die erste Abstimmung im Umweltausschuss ist für Januar 2026 vorgesehen, eine Entscheidung im Plenum könnte im März folgen. Da die meisten Sozialdemokrat:innen, Grünen und Linken die Deregulierung der Gentechnik ablehnen, wäre eine Mehrheit im Parlament nur mit Unterstützung der extremen Rechten möglich.
Bundesregierung weiterhin uneins
Die Bundesregierung stimmte heute – gemeinsam mit 8 weiteren Ländern [1] – nicht für die EU-Pläne, da die Koalition in der Sache weiterhin uneins ist. Dem Vernehmen nach unterstützten CDU und CSU das am 4. Dezember erzielte Ergebnis der Trilogverhandlungen, während die SPD ihre Zustimmung verweigerte.
Zwei SPD-geführte Ministerien hatten sich im Vorfeld ausdrücklich gegen eine Zustimmung der Bundesregierung ausgesprochen. Bundesumweltminister Carsten Schneider kritisierte insbesondere, dass mit neuer Gentechnik hergestellte Lebensmittel künftig nicht mehr als solche gekennzeichnet werden sollen. Er forderte zudem eine verpflichtende Risikobewertung sowie Schutzmaßnahmen für die gentechnikfreie Land- und Lebensmittelwirtschaft (sogenannte Koexistenzregelungen). Auch Bundesjustizministerin Stefanie Hubig äußerte deutliche Kritik an den EU-Plänen: „Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen echte Wahlfreiheit. Und echte Wahlfreiheit gibt es nur mit Transparenz“, sagte sie dem Informationsdienst Gentechnik.
Rückfragen: Franziska Achterberg – Leiterin Politik und Interessenvertretung, +32 498 362403,
Save Our Seeds ist eine Kampagne der Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Seit 2002 setzt sie sich auf nationaler und EU-Ebene erfolgreich gegen die Kontamination von Saatgut mit Gentechnik ein und betreibt unter anderem auch die Kampagne Stop Gene Drives.
Hinweise für Redaktionen:
[1] Nicht zugestimmt haben Belgien, Bulgarien, Deutschland, Kroatien, Österreich, Rumänien, Slowakei, Slowenien und Ungarn.
Bilder von Protesten gegen Gentechnik-Deregulierung, an denen Save Our Seeds in den letzten Wochen beteiligt war, finden Sie hier und hier.
Foto © European Union. Treffen der stellvertretenden Ständigen Vertreter im Ratsgebäude in Brüssel.
