Gentechnik-Deregulierung wohl völkerrechtswidrig

Einem neuen Rechtsgutacht­en zufolge ver­stoßen die Vorschläge zur Lockerung des EU-Gen­tech­nikrechts gegen inter­na­tionales Recht. In min­destens zwei Punk­ten sei das geplante EU-Gesetz zu „neuen genomis­chen Tech­niken“ (NGT) nicht mit dem Biosicher­heit­spro­tokoll des UN-Abkom­mens über die biol­o­gis­che Vielfalt vere­in­bar.

Das Gutacht­en der Freiburg­er Völk­er­recht­sex­per­tin Dr. Sil­ja Vöneky im Auf­trag des Land­wirtschaftsmin­is­teri­ums fordert die EU auf, ihre neuen Vorschriften an ihre völk­er­rechtlichen Verpflich­tun­gen anzu­passen, um die Biosicher­heits­stan­dards des Pro­tokolls zu wahren:  „Um die Ein­hal­tung des Carta­ge­na Pro­tokolls sicherzustellen, sollte eine zukün­ftige EU-Verord­nung fol­gende Ele­mente enthal­ten: Beibehal­tung der Anmelde- und Mit­teilungspflicht­en für NGT-1-Pflanzen gemäß den Anforderun­gen des Carta­ge­na Pro­tokolls; Verpflich­tung zur Kennze­ich­nung aller NGT-1-Pflanzen und ihrer Pro­duk­te, ein­schließlich der Pflicht zur Gewährleis­tung ihrer Rück­ver­fol­gbarkeit inner­halb der EU.“

Das Carta­ge­na Pro­tokoll über die biol­o­gis­che Sicher­heit ist ein völk­er­rechtlich binden­des Abkom­men, das die gren­züber­schre­i­t­ende Ver­bringung leben­der verän­dert­er Organ­is­men (LMOs) regelt. Als Zusatzpro­tokoll zum UN-Abkom­men über die biol­o­gis­che Vielfalt (Con­ven­tion on Bio­log­i­cal Diver­si­ty, CBD) zielt es darauf ab, die Arten­vielfalt und die men­schliche Gesund­heit zu schützen. Die EU und ihre Mit­glied­slän­der sind Ver­tragsparteien des Carta­ge­na Pro­tokolls.

Andere Recht­sex­perten hat­ten bere­its auf die Unvere­in­barkeit der EU-Vorschläge mit dem Carta­ge­na Pro­tokoll hingewiesen. Dazu gehören die franzö­sis­che Kan­zlei Artemisia und die deutsche Kan­zlei Gaßn­er, Groth, Sieder­er & Coll. Auch Green­peace hat­te  vor einem Ver­stoß gegen die inter­na­tionalen Verpflich­tun­gen der EU gewarnt.

Die ungarische EU-Rat­spräsi­dentschaft schlug im let­zten Jahr vor, die offe­nen Rechts­fra­gen in diesem Zusam­men­hang abklären zu lassen. Doch nur wenige Län­der stimmten dem zu, darunter Öster­re­ich, Let­t­land, Rumänien und Slowe­nien. Andere Län­der wie Däne­mark, Schwe­den und die Nieder­lande sahen keinen Kon­flikt zwis­chen EU-Vorschlag und Carta­ge­na Pro­tokoll. Die EU-Kom­mis­sion habe die Vere­in­barkeit mit dem Pro­tokoll mehrfach bestätigt.  

Save Our Seeds fordert die EU-Kom­mis­sion, den Min­is­ter­rat und das Par­la­ment auf, die Hin­weise der Recht­sex­perten zu prüfen und in ihre Vorschläge einzuar­beit­en. Andern­falls wird der Europäis­che Gericht­shof mit hoher Wahrschein­lichkeit das Gesetz kassieren. Das wäre eine schwere Bla­m­age für die EU, die zu Recht immer wieder auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit pocht.

Bild ©Uni­ver­sität Freiburg, Insti­tut für Deutsches, Europäis­ches und Inter­na­tionales Öffentlich­es Recht

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