IUCN bereitet Entscheidungen zu Gentechnik vor

Soll Gen­tech­nik einge­set­zt wer­den, um inva­sive Arten auszurot­ten oder Korallen wider­stands­fähiger gegen steigende Meer­estem­per­a­turen zu machen? Soll­ten gefährdete Arten im Namen des Naturschutzes genetisch verän­dert wer­den? Die Kon­tro­verse über die Rolle der Gen­tech­nik im Naturschutz nimmt weit­er an Fahrt auf. Zwei Anträge wur­den zur Ver­ab­schiedung auf dem Weltkongress der Welt­naturschutzu­nion (IUCN) im Okto­ber ein­gere­icht.

Die IUCN ver­wen­det den Begriff „syn­thetis­che Biolo­gie“, um gen­tech­nis­che Ver­fahren zu beschreiben, mit denen genetis­ches Mate­r­i­al, lebende Organ­is­men und biol­o­gis­che Sys­teme erzeugt oder verän­dert wer­den. Auf dem IUCN-Weltkongress in Abu Dhabi sollen die IUCN-Mit­glieder entschei­den, ob solche Tech­nolo­gien zum Naturschutz beitra­gen kön­nen oder nicht.

Zahlre­iche Nichtregierung­sor­gan­i­sa­tio­nen, darunter Save Our Seeds, befürcht­en, dass Gen­tech­nik die Bemühun­gen zum Schutz und zur Wieder­her­stel­lung der Natur unter­graben kön­nte. Ihnen zufolge bergen neueste Gen­tech­nikver­fahren erhe­bliche Risiken für die Bio­di­ver­sität. Sie wider­sprechen möglicher­weise den Prinzip­i­en der IUCN, die sich zum Erhalt der Integrität und Vielfalt der Natur verpflichtet hat. Risiken sind schw­er zu bew­erten und zu kon­trol­lieren, und die gren­züber­schre­i­t­ende Aus­bre­itung der genetisch verän­derten Organ­is­men kön­nte sich als nicht kon­trol­lier­bar erweisen. Die franzö­sis­che NGO Polli­nis hat daher mit Unter­stützung von sieben weit­eren Organ­i­sa­tio­nen aus Benin, Kana­da, Ecuador, Deutsch­land, Pak­istan und der Schweiz einen Antrag einge­bracht, der ein „Mora­to­ri­um für die genetis­che Verän­derung von wildleben­den Arten in natür­lichen Ökosys­te­men“ fordert.

Gen­tech­nik-Befür­worter behaupten hinge­gen, die neuen Tech­nolo­gien seien notwendig, um kom­plexe Umwelt­prob­leme zu lösen – etwa die Aus­rot­tung inva­siv­er Arten auf Inseln. Sie hal­ten pauschale Aus­sagen über „pos­i­tive“ oder „neg­a­tive“ Fol­gen der Gen­tech­nik für unangemessen. Stattdessen solle jede Anwen­dung einzeln hin­sichtlich ihrer spez­i­fis­chen Risiken und Vorteile bew­ertet wer­den. Dies ist der Ansatz des vorgeschla­ge­nen „IUCN-Grund­satz­pa­piers zur syn­thetis­chen Biolo­gie im Kon­text des Naturschutzes“, das unter den Befür­wortern der Gen­tech­nik bre­ite Zus­tim­mung find­et.

Die Unter­stützer des Papiers beze­ich­nen es als Ergeb­nis des „bish­er par­tizipa­tivsten Prozess­es der IUCN“. NGOs hinge­gen haben erhe­bliche Bedenken hin­sichtlich des Entschei­dungs­find­ung geäußert – ins­beson­dere hin­sichtlich man­gel­nder Trans­parenz, Inter­essenkon­flik­ten und unzure­ichen­der Ein­bindung indi­gen­er Völk­er und lokaler Gemein­schaften (IPLCs). Die Ausar­beitung des Grund­satz­pa­piers wurde durch den let­zten IUCN-Weltkongress in Mar­seille 2021 beauf­tragt.

Vom 23. April bis 14. Mai fand eine erste Runde von Online-Diskus­sio­nen unter IUCN-Mit­gliedern statt. Wie zu erwarten war, grif­f­en Gen­tech­nik-Befür­worter – darunter auch Entwick­ler dieser Tech­nolo­gien – das vorgeschla­gene Mora­to­ri­um als „unnötig“ und unvere­in­bar mit dem Entwurf des Grund­satz­pa­piers an. NGOs kri­tisierten ihrer­seits das Grund­satz­pa­pi­er dafür, dass es die weitre­ichen­den Fol­gen bes­timmter Anwen­dun­gen ignori­ert, für die eine fundierte Bew­er­tung der Umwel­trisiken nicht möglich ist und bei denen ein­mal freige­set­zte Organ­is­men nicht mehr zurück­ge­holt wer­den kön­nen. Die NGOs forderten, dass die weitre­ichend­sten Ein­griffe nicht weit­er­ver­fol­gt wer­den, und forderten eine stärkere Anerken­nung der beste­hen­den Regulierungs­lücken.

Auch mehrere Wis­senschaftler, die an der Entwick­lung von Gene Dri­ves beteiligt sind, nah­men an den Diskus­sio­nen teil – darunter Vertreter von Tar­get Malar­ia, dem Ifakara Health Insti­tute und der Peking-Uni­ver­sität. Sie ver­trat­en zwei IUCN-Kom­mis­sio­nen, für Ökosys­tem­man­age­ment (CEM) und Arten­schutz (SSC). Auf Seit­en der NGOs beteiligten sich unter anderem Polli­nis, Nature Cana­da, Nature Trop­i­cale, Deutsch­er Naturschutzring (DNR), BUND Naturschutz, Pro Natu­ra und die Coor­di­nado­ra de Orga­ni­za­ciones Indí­ge­nas de la Cuen­ca Amazóni­ca (COICA). Save Our Seeds, Mit­glied im DNR, unter­stützte dessen Arbeit.

Am Ende der ersten Diskus­sion­srunde erwiesen sich bei­de Anträge als so umstrit­ten, dass sie nicht in der bevorste­hen­den Online-Abstim­mung behan­delt wer­den kön­nen. Stattdessen sollen sie im Okto­ber beim IUCN-Weltkongress in Abu Dhabi per­sön­lich disku­tiert und entsch­ieden wer­den.

Hier find­en Sie die Aufze­ich­nung eines kür­zlich von Polli­nis, Save Our Seeds und A Big­ger Con­ver­sa­tion organ­isierten Webi­na­rs auf YouTube.

Die für das Webi­nar zusam­mengestellte Ressourcenliste find­en Sie hier.

Bild ©Pex­el — Abu Dhabi Sky­line

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