IUCN muss Freisetzung gentechnisch veränderter Wildarten verhindern

Über 90 NGOs fordern Mora­to­ri­um für Gen­tech­nik in der Natur beim Welt­naturschutz-Kongress in Abu Dhabi, Vere­inigte Ara­bis­che Emi­rate

Abu Dhabi, 8. Okto­ber 2025 – Die IUCN, der weltweit ein­flussre­ich­ste Dachver­band von Naturschut­zor­gan­i­sa­tio­nen, wird auf ihrem diesjähri­gen Kongress in Abu Dhabi entschei­den, ob sie Gen­tech­nik als Instru­ment des Naturschutzes ein­stuft.

Die IUCN-Mit­glieder prüfen zwei Anträge: Der eine würde die syn­thetis­che Biolo­gie – vor­be­haltlich ein­er Einzelfall­prü­fung – als Instru­ment des Naturschutzes anerken­nen. Der andere fordert ein weltweites Mora­to­ri­um für die Freiset­zung gen­tech­nisch verän­dert­er Wildarten, bis Fra­gen der Umweltverträglichkeit, reg­u­la­torische Lück­en sowie ethis­che und kul­turelle Bedenken gek­lärt sind.

Vorschläge für die gen­tech­nis­che Verän­derung von Wildarten reichen vom vor­beu­gen­den Schutz gefährde­ter Arten vor Krankheit­en über den Ein­satz von Gene Dri­ves zur Bekämp­fung inva­siv­er Arten bis hin zur soge­nan­nten Wieder­bele­bung aus­gestor­ben­er Tiere wie Dodo, Schat­ten­wolf oder Tas­man­is­ch­er Tiger.

Franziska Achter­berg, Lei­t­erin Poli­tik bei Save Our Seeds:

Es gibt kein­er­lei Belege dafür, dass diese Tech­nolo­gien tat­säch­lich zum Schutz oder zur Wieder­her­stel­lung der Natur beitra­gen. Sie befind­en sich noch im Ver­suchssta­di­um, ihre Ergeb­nisse sind ungewiss, ihre Auswirkun­gen jedoch poten­ziell unumkehrbar. Eine vor­eilige Zus­tim­mung der IUCN zum Ein­satz solch unaus­gereifter und irre­versibler Tech­nolo­gien kön­nte nicht nur ihre Ziele gefährden, son­dern auch die Glaub­würdigkeit des Naturschutzes in der Öffentlichkeit aufs Spiel set­zen.

Der Aufruf zu einem Mora­to­ri­um wird von über 90 NGOs aus allen Kon­ti­nen­ten unter­stützt – von POLLINIS in Frankre­ich bis zur Coor­di­nado­ra de Orga­ni­za­ciones Indí­ge­nas de la Cuen­ca Amazóni­ca in Ecuador. Renom­mierte Wis­senschaftler haben sich dem Aufruf eben­so angeschlossen wie Imk­erver­bände.

Dr. Joann Sy, wis­senschaftliche Bera­terin bei POLLINIS, dem Haupt­spon­sor des Antrags:

Diese neuen Tech­nolo­gien kön­nten den Druck auf Bestäu­ber und Natur noch weit­er erhöhen. Unsere Arten und Ökosys­teme ste­hen bere­its unter immensem Druck. Statt ihre Wider­stands­fähigkeit zu stärken, kön­nten solche riskan­ten Ein­griffe sie weit­er schwächen. Maß­nah­men, die die drin­gend notwendi­ge Arbeit des Naturschutzes unter­graben kön­nten, müssen gestoppt wer­den.

Befür­worter des Mora­to­ri­ums argu­men­tieren, dass die Freiset­zung gen­tech­nisch verän­dert­er Organ­is­men in natür­liche Ökosys­teme unvorherse­hbare und irre­versible Fol­gen haben kön­nte.

Mal­ick Shah­baz Ahmed, Geschäfts­führer der pak­istanis­chen Sun­gi Devel­op­ment Foun­da­tion und Mitini­tia­tor des Mora­to­ri­um­santrags:

Die Freiset­zung gen­tech­nisch verän­dert­er Organ­is­men in die freie Natur ist unumkehrbar. Die Natur ist kein Ver­such­sla­bor, und unsere Gemein­schaften sind keine Ver­such­skan­inchen. Unser Leben­sun­ter­halt und unser Wohl hän­gen von den natür­lichen Kreis­läufen von Boden, Wass­er, Pflanzen, Bestäu­bern und Arten ab. Wer­den diese Kreis­läufe gestört, sind sowohl Ökosys­teme als auch Gemein­schaften bedro­ht. Das vorgeschla­gene Mora­to­ri­um ist uner­lässlich, um sicherzustellen, dass Entschei­dun­gen über neue Tech­nolo­gien von Vor­sorge, ökol­o­gis­ch­er Integrität und den Stim­men der Schwäch­sten geleit­et wer­den.

Der Ein­satz von Gen­tech­nik wäre ein radikaler Bruch mit dem tra­di­tionellen Naturschutz vom Schutz zur Neugestal­tung. Die IUCN hat sich gegenüber solchen Tech­nolo­gien in der Ver­gan­gen­heit vor­sichtig gezeigt: im Jahr 2004 forderte sie ein Mora­to­ri­um für die weit­ere Freiset­zung von gen­tech­nisch verän­derten Organ­is­men, und 2016 lehn­ten ihre Mit­glieder den Ein­satz von Gene Dri­ves ab. Bei ihrem let­zten Kongress 2021 ver­schoben sie die Organ­i­sa­tion eine Entschei­dung über Gen­tech­nik und forderte stattdessen einen inklu­siv­en, par­tizipa­tiv­en Prozess zur Entwick­lung ein­er IUCN-Poli­tik zur Gen­tech­nik im Naturschutz.

Die Entschei­dung der IUCN dürfte weltweit Auswirkun­gen auf die Naturschutzpoli­tik haben – ins­beson­dere darauf, ob Gen­tech­nik kün­ftig als Mit­tel zur Bekämp­fung des Arten­ver­lusts und des Kli­mawan­dels betra­chtet wird. Angesichts des sech­sten plan­etaren Masse­nausster­bens wirft die Debat­te grundle­gende Fra­gen zu den Prinzip­i­en des Naturschutzes auf – und dazu, ob der Men­sch durch Gen­tech­nik in die Natur ein­greifen sollte.

Den Antrag auf ein Mora­to­ri­um haben diese IUCN-Mit­glieder einge­bracht: POLLINIS (Frankre­ich), Nature Cana­da (Kana­da), Nature Trop­i­cale (Benin), Deutsch­er Naturschutzring (Deutsch­land), Benin Envi­ron­ment and Edu­ca­tion Soci­ety (Benin), Pro Natura/Friends of the Earth Switzer­land (Schweiz), Sun­gi Devel­op­ment Foun­da­tion (Pak­istan) und Coor­di­nado­ra de Orga­ni­za­ciones Indí­ge­nas de la Cuen­ca Amazóni­ca (Ecuador).

ENDE

Über Save Our Seeds

Save Our Seeds ist eine Kam­pagne der Zukun­ftss­tiftung Land­wirtschaft. Seit 2002 set­zt sie sich erfol­gre­ich gegen die Kon­t­a­m­i­na­tion von Saatgut mit Gen­tech­nik auf nationaler und EU-Ebene ein und betreibt unter anderem auch die Kam­pagne „Stop Gene Dri­ves“. Die Zukun­ftss­tiftung ist Mit­glied des Deutschen Naturschutzrings (DNR), einem Mitini­tia­tor des Mora­to­ri­um­santrags.

Über POLLINIS

POLLINIS ist eine unab­hängige Nichtregierung­sor­gan­i­sa­tion, die sich für den Schutz von Haus- und Wild­bi­enen ein­set­zt sowie für eine Land­wirtschaft, die alle Bestäu­ber respek­tiert. Die 2012 gegrün­dete gemein­nützige Organ­i­sa­tion zählt inzwis­chen über 1,3 Mil­lio­nen Unter­stützer in ganz Europa und mehr als 20.000 Spender. POLLINIS wird auss­chließlich durch pri­vate Spenden finanziert, was ihre volle Unab­hängigkeit garantiert. Sie ist Haupt­spon­sor des Antrags 133 für ein Mora­to­ri­um für gen­tech­nisch verän­derte Wildarten in natür­lichen Ökosys­te­men.

Über die Sun­gi Devel­op­ment Foun­da­tion

Die Sun­gi Devel­op­ment Foun­da­tion in Pak­istan ist eine gemein­schafts­ges­teuerte Men­schen­recht­sor­gan­i­sa­tion, die sich für Kli­maschutz­maß­nah­men ein­set­zt. Sie stärkt gefährdete Gemein,durch Aus­bau ihrer Kapaz­itäten in den Bere­ichen natur­basierte Lösun­gen, Erhalt der biol­o­gis­chen Vielfalt, indi­gene Land­wirtschaft und soziale Forstwirtschaft.

Medi­enkon­tak­te:

Maria Ele­na De Mat­teo, Kom­mu­nika­tion­sex­per­tin, +39 351 81 98 110,

Hélène Angot, Kom­mu­nika­tions­beauf­tragte, Polli­nis, +33 6 12 84 06 97,

Mal­ick Shah­baz Ahmed, Geschäfts­führer der Sun­gi Devel­op­ment Foun­da­tion,

Hin­weise für Redak­tio­nen:

Eine voll­ständi­ge Liste der unter­stützen­den NGOs ist auf der Web­site der Koali­tion ver­füg­bar.

Renom­mierte Wis­senschaftler haben einen offe­nen Brief zur Unter­stützung des Mora­to­ri­ums unterze­ich­net.

Inter­na­tionale Imkeror­gan­i­sa­tio­nen, darunter Api­mon­dia, BeeL­ife Europe und der Deutsche Imker­bund, haben sich öffentlich für das Mora­to­ri­um aus­ge­sprochen.

Hin­ter­grund­ma­te­r­i­al: Die Gründe für ein Mora­to­ri­um der IUCN und Infor­ma­tio­nen zum Ein­satz von Gen­tech­nik im Naturschutz find­en Sie hier.

Fall­stu­di­en: Fünf Beispiele für Gen­tech­nik im Naturschutz find­en Sie hier.

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